Lothar de Maizière äußert sich zum Leipziger Denkmal
Es geschieht nicht häufig, dass in Deutschland, dem seit dem letzten Krieg das patriotische Feiern schwer fällt, ein Denkmal gesetzt wird. Noch dazu ein Denkmal, das die Nation mit Freude und Stolz erfüllen soll. Und doch hat der Bundestag in seinen denkwürdigen Sitzungen vom 9. November 2007 und 4. Dezember 2008 den Weg gleich für zwei Denkmale geebnet. So wird, wenn es nach dem Willen von Bundestag und Bundesregierung geht, in Berlin und in Leipzig an die Friedliche Revolution 1989 und Wiedervereinigung 1990 erinnert. Dass der Anstoß hierfür aus der Zivilgesellschaft kommt, spricht nur allzu deutlich für das demokratische und historische Selbstverständnis der Initiatoren.
Es kann keine Frage sein, dass neben dem Denkmal in der deutschen Hauptstadt in Leipzig ein Denkmal gesetzt wird, das noch einmal die historische Leistung der Leipziger und Leipzigerinnen, aber auch die der zu Abertausenden in die Messestadt geströmten Bürger vergegenwärtigt. Die Stadt bekommt damit einen längst notwendigen Orden verliehen, den sie sich redlich verdient hat. Die Demonstration am 9. Oktober in Leipzig, das bestreitet heute kein ernst zu nehmender Historiker, war der geglückte Auftakt und die erste große Bewährungsprobe der Regierten gegen die Regierenden. Sie läutete für alle hörbar das Ende der DDR ein.
Keine zehn Tage später trat Honecker von seinem Amt zurück, und es sollte nur genau ein Monat vergehen, bis zu jener Nacht, in der die Mauer fiel und sich Ost und West nach Jahrzehnten der Trennung freudentaumelnd in die Arme schlossen. Diese Entwicklung haben nicht die Leipziger Bürger allein angestoßen, der Blick nach Dresden oder nach Plauen erinnert auch an andere mutige sächsische Orte. Doch Leipzig ist und bleibt das Symbol des Aufbegehrens. Und das weit über Sachsen und den Süden der ehemaligen DDR hinaus.
Die Montagsdemonstrationen stehen aber nicht nur für den Ruf nach Freiheit. Von ihnen gingen auch die Forderungen nach der Einheit Deutschlands aus. Sie trugen geradezu buchstäblich die nationale Ausrichtung der Revolution. Nirgendwo konnte man den Wandel der Forderungen von dem „Wir sind das Volk“ zu dem „Wir sind ein Volk“ besser verfolgen als in Leipzig.
Die erste und letzte freie Wahl am 18. März 1990 hat den Leipziger Montagsdemonstranten Recht gegeben. Mit einem eindeutigen Plebiszit für die deutsche Wiedervereinigung erhielten die neu gewählte Volkskammer und die Regierung einen klaren Auftrag. Die Erfüllung dieses Auftrages hat den Wunschtraum nach Einheit in Freiheit in wenigen Monaten zur Realität werden lassen.
Wenn an jedem 3. Oktober in Berlin an die glückliche Wiedervereinigung unseres Volkes erinnert wird, darf Leipzig nicht vergessen werden. Denn die Stadt schrieb mit ihrem Mut Geschichte, Nationalgeschichte.